Handel über Dubai
Handel über Dubai
Heimliche Geschäfte deutscher Firmen mit IranBundeskanzlerin Angela Merkel versicherte, sie wolle “alles daransetzen, dass die Handelswege” deutscher Firmen “nicht über Umwege doch wieder in den Iran führen.” Doch ausgerechnet die von der Bundesregierung unterstützte Deutsch-Emiratische Handelskammer wollte solche Geschäfte vermitteln.
In den Hotels von Dubai spielen sich seltsame Dinge ab. Zum Beispiel im Fünf-Sterne-Haus „Dubai Monarch“. Die Bilder der von den Überwachungskameras aufgezeichneten 15 Damen und Herren, die das Hotel am 17. November 2009 mit bestimmter Absicht betraten, liegen uns leider nicht vor. Wohl aber das Protokoll jener Zusammenkunft, die dem Ziel diente, der deutschen Industrie neue Zugangswege in den Iran zu verschaffen.
Je bedrohlicher die angekündigten Iran-Sanktionen, desto attraktiver der Umweg über Dubai Die Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer zu Dubai hatte ins „Dubai Monarch“ eingeladen, um eine „Arbeitsgruppe Iran“ aus der Taufe zu heben. Die Kammer ist eine teilstaatliche, vom Wirtschaftsministerium subventionierte Institution. Ihr Geschäftsführer Peter Göpfrich gerät nun in Erklärungsnot, weil das Sitzungsprotokoll durchgesickert war. Es handele sich um einen „sehr ärgerlichen“ und „sehr peinlichen“ Vorgang, sagt er WELT ONLINE.
Was war geschehen? Nachdem der Inhalt dieses Protokolls in der „Jerusalem Post“ und im „Wall Street Journal“ Schlagzeilen machte, zog Göpfrich die Notbremse und ließ das Projekt „Arbeitsgruppe Iran“ fallen. „Die AHK-Arbeitsgruppe Iran (hat) ihre Arbeit bis auf weiteres eingestellt“, ist seit dem 2. März 2010 auf der Homepage der Außenhandelskammer zu lesen. Zudem wurde die Mitarbeiterin der Kammer, die das Protokoll verfasst hatte, entlassen.
Ob sich die „peinliche“ und „ärgerliche“ Affäre auf diese Weise beenden lässt, ist fraglich. So spektakulär sich deutsche Konzerne wie Siemens und die Münchener Rück vom Iran-Geschäft verabschiedeten, so lautlos setzen deutsche Maschinen- und Anlagenbauer ihre Geschäfte mit dem Mullah-Regime fort. Je bedrohlicher die angekündigten Iran-Sanktionen, desto attraktiver der Umweg via Dubai.
Seit Jahren dient diese Millionenstadt den Mullahs als Hintertür, durch die sie nach Iran schleusen, was durch die Vordertür sanktionsbedingt keine Chancen hat. In dem winzigen Emirat, dessen Fläche 420mal kleiner ist als die Fläche Irans, wird zwar so gut wie nichts produziert. Aber Dubai brachte es fertig, dass 2009 die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE), zu denen Dubai gehört, vor Deutschland und China wichtigstes Exportland für den Iran war. 80 Prozent aller Einfuhren in die VAE werden wieder ausgeführt – davon ein Viertel über Dubai in den Iran.
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1 von 32 zurück blättern weiter blättern Iran – Ein zerrissenes Land
Spätestens seit der umstrittenen Präsidentenwahl am 12. Juni 2009 steht der Iran im Fokus der Weltöffentlichkeit. Hier sehen Sie die Ereignisse der letzten Monate und können die Geschichte des Irans zurück bis ins Jahr 1979 zurückverfolgen:
4. August 2010: Verwirrung um einen Anschlag auf Mahmud Ahmadinedschad. Zuerst wurde das Attentat offiziell bestätigt. Wenige Zeit später will der Iran nichts mehr davon wissen.
11. Februar 2010: Zur Feier zum 31. Jahrestag der Islamischen Revolution hat Mahmud Ahmadinedschad den Iran zum “Atomstaat” ausgerufen. Die Uran-Anreicherung sei erfolgreich gestartet worden. Nach Angaben oppositioneller Internetseiten kam es auf den Straßen Teherans zu schweren Ausschreitungen.
1. Januar: Mir Hossein Mussawi kündigt an, für den Märtyrer-Tod bereit zu sein. Die Oppositionsbewegung habe mittlerweile eine nicht mehr aufzuhaltende Eigendynamik entwickelt, glaubt der Oppositionsführer.
27. Dezember 2009: Bei heftigen Demonstrationen in Teheran kommen mehrere Menschen ums Leben. Die Todesopfer werden auch von der iranischen Polizei bestätigt.
5. August 2009: Mahmud Ahmadinedschad ist in Teheran offiziell vereidigt worden.
20. Juni 2009: Bei neuen Protesten von Oppositionsanhängern kommt es in Teheran zu den blutigsten Zusammenstößen seit der umstrittenen Wiederwahl Mahmud Ahmadinedschads am 12. Juni. Oppositionsführer Mir Hussein Mussawi ruft die Führung auf, friedliche Kundgebungen zuzulassen. Er werde den Kampf fortsetzen und sei bereit, dafür zum Märtyrer zu werden.
19. Juni 2009: Bei seinem mit Spannung erwarteten Freitagsgebet stellt sich Ali Chamenei hinter Mahmud Ahmadinedschad und betont die Rechtmäßigkeit der Wahl.
16. Juni 2009: Nach offiziellen Angaben sind bei den Unruhen bisher mindestens sieben Menschen ums Leben gekommen, in anderen Berichten ist von 15 Toten die Rede. Trotz der Polizeigewalt reißen die Proteste nicht ab, sondern weiten sich auf andere Städte des Landes aus. Das Regime verbietet ausländischen Medien, über die Kundgebungen zu berichten, mehrere iranische Journalisten werden verhaftet.
13. Juni 2009: Nach offiziellen Angaben konnte sich der Amtsinhaber mit fast 63 Prozent der Stimmen gegen seinen reformorientierten Herausforderer Mir Hussein Mussawi (knapp 34 Prozent) behaupten. Mussawi spricht von Wahlbetrug, in der Hauptstadt Teheran kommt es zu den größten Krawallen seit den Studentenprotesten 1999.
12. Juni 2009: Mehr als 46 Millionen Wähler sollen entscheiden, ob Mahmud Ahmadinedschad vier weitere Jahre im Amt bleibt oder von einem seiner drei Herausforderer abgelöst wird. Mit 82 Prozent erreicht die Wahlbeteiligung ein Rekordhoch.
März 2009: US-Präsident Barack Obama wendet sich per Video direkt an den Iran und bietet einen „Neubeginn” der Beziehungen an. Das geistliche Oberhaupt Ayatollah Ali Chamenei reagiert mit dem Satz: „Wenn Sie Ihre Haltung ändern, werden wir unsere Haltung ändern.”
28. Januar 2009: Mahmud Ahmadinedschad kündigt an, am 12. Juni für eine zweite Amtszeit zu kandidieren.
23. Dezember 2006: Die Uno verhängt im Atomstreit Sanktionen gegen Iran, die bis 2008 ausgeweitet werden.
August 2005: Iran nimmt trotz internationaler Proteste die Uran-Anreicherung wieder auf. US-Präsident George W. Bush erklärt, eine militärische Option im Konflikt um das iranische Atomprogramm sei nicht ausgeschlossen.
6. August 2005: Der ultrakonservative Mahmud Ahmadinedschad wird zum Präsidenten gewählt.
Juni 2003: Die Internationale Atombehörde IAEA wirft Iran vor, Urananreicherungen zu verschweigen. Der Verdacht: Iran strebt nach Atomwaffen.
2002: In Folge der Anschläge vom 11. September 2001 bezeichnet US-Präsident George W. Bush Iran als eines der Länder auf der „Achse des Bösen”.
23. Mai 1997: Der liberale Mohammed Chatami wird Nachfolger von Haschemi Rafsandschani und kämpft mit der konservativen Geistlichkeit um die Macht.
1995: Die USA erlassen ein Finanz- und Handelsembargo gegen den Iran.
1993: Washington beschuldigt Iran, in den Anschlag auf das World Trade Center in New York mit sechs Toten verwickelt zu sein.
3. Juni 1989: Ajatollah Chomeini stirbt an Krebs. Ali Chamenei übernimmt seine Nachfolge als geistlicher Führer. Neuer Präsident wird Haschemi Rafsandschani.
Juli 1988: Ein iranisches Passagierflugzeug wird von einem US-Kriegsschiff abgeschossen. Alle 290 Insassen kommen ums Leben. Die USA erklären, das Flugzeug sei versehentlich für eine Militärmaschine gehalten worden.
19. Januar 1984: Washington setzt auf die US-Sanktionsliste der „Schurkenstaaten”.
2. Oktober 1981: Ajatollah Ali Chamenei wird Staatspräsident.
Januar 1981: Die 52 verbleibenden US-Geiseln werden aus der Botschaft in Teheran freigelassen.
22. September 1980: Der Irak greift Iran an. Bei dem bis 1988 dauernden Ersten Golfkrieg sterben mehrere Hunderttausend Menschen.
1980: Die USA beenden im April die diplomatischen Beziehungen zum Iran.
4. November 1979: Beginn einer 444-tägigen Besetzung der US-Botschaft. Iranische Studenten stürmen die US-Botschaft in Teheran und nehmen 63 Botschaftsmitarbeiter jahrelang als Geiseln.
1. April 1979: Ajatollah Chomeini ruft die Islamische Republik aus.
11. Februar 1979: Der letzte Regierungschef des Schah-Regimes taucht unter.
1. Februar 1979: Ajatollah Chomeini kehrt aus Paris in seine Heimat zurück. (Quelle: dpa/AFP)
Nach Auskunft des Dubaier Iranian Business Council sind dort 8000 iranische Firmen und 1200 iranische Handelsgesellschaften registriert. Wöchentlich verkehren 300 Flüge zwischen Dubai und Iran. Dubai verfügt zudem mit Dschebel Ali über den größten künstlichen Hafen der Welt. Der iranische Containerhafen Bandar Abbas ist lediglich 100 Meilen entfernt. Zwischen 2005 bis 2009 hat sich die Warenausfuhr von Dubai in den Iran auf 12 Milliarden Dollar verdreifacht.
Im November 2007 hatte Herbert Honosowitz, der damalige deutsche Botschafter in Teheran, den Wert der deutschen Iran-Exporte via Dubai auf vier Milliarden Dollar jährlich taxiert. Später nahm er dies jedoch zurück.
Nach Auskunft der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer sind 800 deutsche Unternehmen mit Filialen in Dubai registriert. Sicher ist zudem, dass die deutschen Ausfuhren in die Emirate zuletzt sprunghaft angestiegen sind. 2008 erreichten diese Lieferungen einen Wert von elf Milliarden US-Dollar – gegenüber 2007 eine Steigerung um 40 Prozent. Im Bereich des Fahrzeug- und Maschinenbaus – einer in Iran besonders begehrten Branche – stiegen die Ausfuhren gar um mehr als 60 Prozent: Von vier auf 6,5 Milliarden Dollar. Dies macht den Wunsch, die Handelswege in den Iran über Dubai auszuweiten, plausibel und mag erklären, warum im Mai 2009 die Deutsch-Emiratische Industrie- und Handelskammer gegründet wurde. Zur Einweihungsfeier reiste der damalige Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg höchstpersönlich an.
Ein halbes Jahr später verschickte Daniela Calligaro, die Abteilungsleiterin der Kammer für „Business Development Services“, die Einladung zur Bildung einer offiziellen „Arbeitsgruppe Iran“. Man wolle mit ihrer Hilfe prüfen, heißt es in dem Einladungsschreiben, „wie unter Einschluss deutscher Firmen neue Handels- und Investitionsflüsse geschaffen werden können, die die Vereinigten Arabischen Emirate als ein Eingangstor zum iranischen Markt nutzen.“
In der Öffentlichkeit betont das politische Berlin jedoch, deutsche Firmen von Geschäften mit dem Iran abhalten zu wollen. „Wir müssen alles daransetzen“, hatte Bundeskanzlerin Angela Merkel im November 2007 erklärt, „dass die Handelswege nicht über Umwege doch wieder in den Iran führen.“
Im November vergangenen Jahres kamen die Gründungsmitglieder jener „Arbeitsgruppe Iran“ im „Dubai Monarch“ zusammen – zu einem Zeitpunkt, da die iranische Führung international isolierter war, als je zuvor: Seit Juni 2009 hatte sie die iranische Demokratiebewegung vor den Augen aller Welt terrorisiert.
Doch darum ging es bei jenem Gründungstreffen nicht. Es sei das Ziel der Gruppe, „die Geschäfte unserer Mitglieder mit diesem Regime zu befördern“, vermerkt das dreiseitige Protokoll, das den Verlauf dieser Sitzung wie auch die Stimmung unter den Teilnehmern beschreibt. Im Vordergrund steht die Klage über Geschäftsbehinderungen, die die USA und die Bundesregierung unter dem Einfluss Washingtons veranlasst hätten. Gleichzeitig macht man sich für künftige Irangeschäfte gegenseitig Mut: Dieses Land sei ein „schlafender Riese“; stets hätten Iraner gerade „die deutschen Produkte respektiert und geschätzt“.
Iraner in Dubai seien für alles zu gewinnen, behauptet das Protokoll. Also müsse man „die iranische Präsenz in Dubai ausnutzen, Kontakte herstellen“, Risikokapitalbeteiligungen eingehen und Firmenpartnerschaften in Erwägung ziehen.
Zumindest dem Versammlungsleiter war die Brisanz dieser Vorschläge offenbar bewusst. Man müsse derartige Unternehmungen „sehr taktvoll angehen, weil das Thema sehr sensibel ist“, warnte Peter Göpfrich in seinem Resümee.
Einige Monate später bestätigte Göpfrich die Existenz dieses Protokolls. Doch sei es ohne sein Wissen an die Öffentlichkeit gelangt. Die Kammer habe aus jener „peinlichen“ Affäre gelernt und werde ihr Iran-Engagement in Zukunft auf die Vermittlung der Embargo-Regeln, wie sie in den Merkblättern der Bundesregierung skizziert seien, beschränken, beteuerte er. Allerdings sei man immer wieder mit der Frage deutscher Unternehmen konfrontiert, wie Dubai als Sprungbrett in den Iran genutzt werden könne. Es gebe auf diesem Feld „keine Transparenz“ und „kein Firmenregister“. Die meisten Unternehmen würden ihren Handel ohnehin an der Kammer vorbei betreiben.
Dieser Einschätzung stimmt ein Mitarbeiter der bundeseigenen Wirtschaftsförderungsgesellschaft „German Trade & Invest“, der namentlich nicht genannt werden will, zu. Man habe schon vor Jahren den Beschluss gefasst, „keine Werbung für die Umgehung“ via Dubai zu machen. Man weise ganz im Gegenteil jede Firma auf die mit dieser Strategie verbundenen Risiken und auf mögliche „Probleme mit den Vereinigten Staaten“ hin.
Es wird also keineswegs, wie von der Bundeskanzlerin versprochen, „alles darangesetzt, dass die Handelswege nicht über Umwege doch wieder zum Iran führen“. Immerhin ist es jener „peinlichen“ und „ärgerlichen“ Panne zu verdanken, dass die Öffentlichkeit von der Politik der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer überhaupt erfuhr und die „Arbeitsgruppe Iran“ heute nicht mehr existiert. Seither werden jene Umwegstrategien von den zuständigen öffentlichen Stellen vielleicht nicht aktiv beworben, aber doch geduldet. Was vor wenigen Wochen im „Dubai Monarch“ offiziell begann, geht inoffiziell munter weiter.
Kurz vor der neuen, womöglich entscheidenden Sanktionsrunde gegen das iranische Regime steht die Bundesregierung somit vor der Wahl: Entweder täuscht sie im internationalen Kontext Geschäftigkeit lediglich vor, um Israel und den Vereinigten Staaten zu imponieren und von eigenmächtigen Schritten abzuhalten. Oder sie setzt Teheran tatsächlich unter Druck, um die den Bau von Atomwaffen zu verhindern. Dann aber muss sie alles tun, um das „Eingangstor zum iranischen Markt“ via Dubai so sicher wie möglich zu verschließen.
Drucken Bewerten Autor: Matthias Küntzel, www.weld.de